Je klarer die Verhaltensregeln definiert sind, desto leichter ist es für Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene, mit schwierigen Situationen umzugehen. Konflikte können vorkommen und gehören zur Lernerfahrung dazu. Die oben beschriebenen Verhaltensregeln helfen, konkretes Fehlverhalten von „normalen“ Konflikten zu unterscheiden.
Wichtig ist es, Kritik anzuhören, anzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen. Dadurch zeigen wir Respekt, Vertrauen und Wertschätzung gegenüber dem anderen. So müssen wir auch Kritik und Beschwerden von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen zulassen. Eine Beschwerde kann sowohl von Betroffenen eingebracht werden als auch von Angehörigen oder Mitgliedern der Pfarreien, die eine Beobachtung gemacht haben, die sie mit jemandem besprechen möchten. Jede Beschwerde sollte uns veranlassen, genau hinzusehen. Dadurch können wir unsere Arbeit verbessern. Darüber hinaus ist es ein Zeichen von Vertrauen, wenn Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene uns ehrlich ihr Missfallen vortragen. Auch wenn sie sich dafür an Außenstehende wenden, zeigen sie uns, dass sie uns zutrauen, mit dieser Information umgehen zu können und uns bzw. die Situation zu verändern.
TRANSPARENTE BESCHWERDEWEGE
Alle Kinder und Jugendlichen müssen die Möglichkeit haben, sich zu beschweren, wenn etwas im Umgang miteinander nicht in Ordnung ist oder sie das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt. Durch klare und transparente Beschwerdewege sollen sie dazu ermutigt werden, sich Rat zu holen oder gemeinsam mit anderen nach Lösungen zu suchen. [1] Die Kinder und Jugendlichen sollen wissen:
- Bei wem kann ich mich beschweren?
- Wie verläuft der Beschwerdeweg?
- Wie wird mit Beschwerden umgegangen?
1. Bei wem kann ich mich beschweren?
Für einen persönlichen Kontakt steht das Präventionsteam des Bistums zur Verfügung sowie die Ansprechpartner der jeweiligen Pfarreien. Alle Ansprechpartner sind auf der Kontaktliste im Anhang dieses Schutzkonzeptes zu finden. Die Liste der Ansprechpartner wird auch in den Schaukästen der Pfarreien veröffentlicht.
2. Wie verläuft der Beschwerdeweg?
Die Pfarreiengemeinschaft orientiert sich bei der Bearbeitung einer Beschwerde an den Handreichungen zur Präventionsordnung des Bistums. [2]
SCHRITT 1: BESCHWERDEANNAHME
Geht eine Beschwerde entweder im Pfarrbüro ein oder wendet sich jemand direkt an die jeweiligen Ansprechpartner der Pfarreien (siehe Kontaktliste), tritt das Beschwerdemanagement der Pfarreiengemeinschaft in Kraft.
SCHRITT 2: BESCHWERDEBEARBEITUNG
Für die Pfarreiengemeinschaft haben sich aus jeder Pfarrei zwei Personen bereiterklärt, sich um eingehende Beschwerden zu kümmern und entsprechend der Handlungsabläufe (siehe Anhang) zu handeln. Sie stehen in keinem Angestelltenverhältnis zur Pfarreiengemeinschaft und sind daher neutrale Ansprechpartner. Damit ist in jedem Fall ein 4-Augen-Prinzip für die Bearbeitung gewährleistet. Wird eine Beschwerde direkt an den Pfarrer herangetragen, ist er ebenfalls Teil des Beschwerdeteams. Wird der Pfarrer in der Beschwerde als Beschuldigter genannt, ist er selbstverständlich nicht Teil des Beschwerdeteams. Das Beschwerdeteam kann sich in jedem Fall überlegen, ob es zu zweit die Beschwerde bearbeiten will oder noch weitere Personen hinzuziehen möchte (z.B. Ansprechpersonen der beiden anderen Pfarreien, des Bistums, Psychologe, Polizei, Jugendamt…).
3. Wie wird mit Beschwerden umgegangen?
Ist eine Beschwerde eingegangen, muss das Beschwerdeteam entscheiden:
- Handelt es sich um eine Grenzverletzung, einen sonstigen (sexuellen) Übergriff oder um Gewalt im Sinne einer strafbaren Handlung?
- Ist es schwierig, die Beschwerde in diese drei Kategorien einzuordnen? Gibt es Zweifel?
- Handelt es sich um etwas ganz Anderes?
Für die Einordnung einer Beschwerde als Grenzverletzung oder als sonstiger (sexueller) Übergriff finden sich in den Handreichungen zur Präventionsordnung des Bistums hierzu Definitionen und Beispiele sowie klare Anweisungen zur Behandlung einer Beschwerde: [3]
GRENZVERLETZUNGEN
„Grenzverletzungen können im Alltag vorkommen. Sie liegen unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit und sind oftmals Ergebnis einer mangelnden Achtsamkeit, persönlicher oder fachlicher Unzulänglichkeit und lassen sich meist mit einem klärenden Gespräch und einer ernstgemeinten Entschuldigung aus der Welt schaffen.“
Beispiele:
Missachtung persönlicher Grenzen: tröstende Umarmung, obwohl es dem Gegenüber unangenehm ist.
Missachtung der Grenzen der professionellen Rolle: Gespräch über eigene Probleme mit einem Kind
Missachten vorher gemeinsam vereinbarter Umgangsregeln: z. B. Anklopfen
SONSTIGE (SEXUELLE) ÜBERGRIFFE
„Als sonstige sexuelle Übergriffe bezeichnet man Handlungen, die die Schwelle zur Strafbarkeit noch nicht überschritten haben, aber im Umgang unangemessen und nicht mehr zufällig (wie Grenzverletzungen), sondern beabsichtigt sind.“ Sie können einen sexuellen Missbrauch vorbereiten oder mangelnden Respekt gegenüber Kindern und Jugendlichen ausdrücken oder das Ergebnis fundamentaler fachlicher Defizite sein.
Beispiele:
Anzügliche Bemerkungen oder unangemessene Gespräche über Sexualität, Sexistische Spielanleitungen, Sexistische Manipulation von Bildern
STRAFBARE HANDLUNGEN
Sollte das Beschwerdeteam den Verdacht haben, dass es sich bei einem Übergriff um eine Straftat handeln könnte, sind die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. Das sollte jedoch nicht gegen den Willen des Betroffenen geschehen. Handelt es sich um einen plausiblen Verdacht und die Strafverfolgungsbehörden sollen nicht eingeschaltet werden, weil das Opfer die Strafverfolgung ablehnt, sollte dringend eine externe Fachkraft eingeschaltet werden, um den Vorwurf einer Vertuschung im Interesse der Pfarreien zu vermeiden. Es gilt auch sicherzustellen, dass es zu keiner Ausweitung der Tat auf andere Schutzbefohlene kommt. Droht diesbezüglich Gefahr und ist diese Gefahr nicht durch andere Mittel abzuwenden, sollte mit fachlicher Unterstützung bei dem Betroffenen auf die Notwendigkeit einer Meldung an die Strafverfolgung hingewirkt werden.
Wurde die Beschwerde von einer minderjährigen Person eingereicht, müssen gegebenenfalls die Sorgeberechtigten einbezogen werden. Kommt man zu dem Schluss, dass die Sorgeberechtigten hinzugezogen werden müssen, sollte unbedingt eine externe Fachkraft eingeschaltet werden, falls Opfer und Sorgeberechtigte unterschiedlich mit dem Vorfall und dem möglichen Einschalten von Behörden umgehen möchten.
Wichtig ist außerdem eine ausführliche Dokumentation der Beschwerde und des Beschwerdemanagements. Eine gute Dokumentation kann für eine mögliche Strafverfolgung wichtig sein oder auch nur für die richtige Einschätzung eines Falls, v.a. wenn es Zweifel gibt oder anfangs nur Beobachtungen im Raum stehen.
Schließlich muss die Rückmeldung an den Beschwerdeführer erfolgen, was mit der Beschwerde geschehen ist. Wurde sie ernst genommen? Gab es Konsequenzen? Auch hier sind gegebenenfalls die Erziehungsberechtigten in diese Schlussphase miteinzubeziehen.
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[ 1 ] vgl. „Auf dem Weg zu einer Kultur der Achtsamkeit“ vom Bistum Eichstätt
[ 2 ] „Institutionelles Schutzkonzept – Arbeitshilfe für Pfarreien und kirchliche Einrichtungen“, Bistum Regensburg, 2019, Heft 1, Seite 33ff
[ 3 ] „Institutionelles Schutzkonzept – Arbeitshilfe für Pfarreien und kirchliche Einrichtungen“, Bistum Regensburg, 2019, Heft 1, Seite 14ff sowie Seite 34ff
[ 4 ] „Institutionelles Schutzkonzept – Arbeitshilfe für Pfarreien und kirchliche Einrichtungen“, Bistum Regensburg, 2019, Heft 1, Seite 14
[ 5 ] „Institutionelles Schutzkonzept – Arbeitshilfe für Pfarreien und kirchliche Einrichtungen“, Bistum Regensburg, 2019, Heft 1, Seite 14ff sowie Seite 34ff
[ 6 ] „Institutionelles Schutzkonzept – Arbeitshilfe für Pfarreien und kirchliche Einrichtungen“, Bistum Regensburg, 2019, Heft 1, Seite 14